Dienstag, Juni 20, 2006

6. Einsendung zum Literaturwettbewerb!

Manch einer wird froh sein, bei diesem Text von Thomas M. Specht aus Berlin seinen teuer erstandenen und mittlerweile arg verstaubten Fremdwörter-Duden wieder ausparken zu müssen.
Hyazinth zu Gast bei Freunden.

Mauto Bing


Die Etymologie des Spitznamens Quappengesicht für die Person Adolf Hirsehirns muß mit dem Makel des Unsicheren behaftet bleiben. Die naheliegende Ableitung von der Kaulquappe würde zwar Hirsehirns Physiognomie mit einer Nase entsprechen, die an ihrer Spitze rund und fett ausläuft, nach oben hin aber immer schlanker werdend sich schließlich zu einer Falte zwischen den Augenbrauen verjüngt und also dem Morphotypus der Kaulquappe entspricht. Aber Hirsehirn begegnet uns als ein Mensch ohne Ziel, was dem teleologischen Wesen der Kaulquappe diametral entgegensteht. Den Ursprung in dem wenig bekannten Tier Lota lota, im Volksmund: Quappe zu suchen, hieße ebenfalls im Trüben fischen. Zwar würde es seinem gefühllosen Charakter, seinen toten Augen entsprechen; aber haftet ihm nichts eigentlich fischaftes an.

Klarer scheint die Lage bei Robert Fußherz, kurz: Schwitzbert. Er transpiriert in einem Umfang, den man am besten in Litern mißt. Ständig in Bewegung, immer fort am Schaffen – wobei wir in dieser emsigen Betriebsamkeit nicht, wie man im ersten Moment vermuten möchte, die Ursache, sondern die Folge dieser unmenschlichen Transpiration zu suchen haben. Denn sie speist sich aus unbekannter, unerschöpflicher Quelle, ein Sickerbrunnen ärztlicher Ratlosigkeit, und nur durch ein Leben ohne ruhige Minute kann Fußherz der offensichtlichen Sinnlosigkeit, mit der ihm der Schweiß aus allen Poren rinnt, eine Rechtfertigung abringen. Quappengesicht nennt jene Sinngabe im Stillen „Maussport“. Die Kaskade an Bildern und Assoziationen auszuführen, die sich zu diesem Wort gewunden, verknotet und verknüpft hat, bleibt hier weder Platz noch Raum. Nur den Ursprung, den auslösenden Gedanken wollen wir hier skizzieren: Die Tatsache, daß der rotbeschopfte und warzennasige Klabautermann Pumuckl eines Tages eine Maus als Zugtier für seinen kleinen Streitwagen benutzt hat. Der Rest läßt sich denken.

Quappengesicht und Schwitzbert betreiben das Unternehmen „Dialektik der Aufklärung“, eine Art menschliche Suchmaschine, die es in der heutigen Zeit eigentlich gar nicht geben darf. Man wendet sich an die beiden, um Miscellen jedweder Art zu finden, tot und lebendig. Der Name wurde mit Bedacht gewählt: Quappengesicht geht der unbelebten, Schwitzbert der belebten Natur auf den Grund, wie es ihrer Erscheinung, aber auch den selbstgemalten Schildern über ihren Köpfen entspricht.

Eigentlich müßte man noch den dritten, stillen Teilhaber an diesem Unternehmen nennen, doch läßt sich seine Gestalt nicht fassen.

Gestern war ein Tag, so schön, daß Schwitzbert die Pflanzen um ihre Photosynthese beneidete und Quappengesicht hinter seinen Augen noch mehr versteinerte. Die beiden hatten sich gerade unter heftiger Transpiration des einen und Stoizismus des anderen in eine Diskussion über Berzelius und die Gehirnverseifung verwickelt, die folgerichtig in der mit der deutschen Rechtschreibreform verknüpften Problematik des rudimentärsten aller Buchstaben mündete, nämlich in der Frage nach der Rechtfertigung des stummen Hs: Warum rau und nicht rauh? In diesem Moment kam ein Mann bei der Tür herein, klein in seinen Ausmaßen, groß in seinem Auftritt. Er stellt sich als Mauto Bing aus China vor, wobei vor allem seine Augen sprachen, den Knopfaugenblick dem Gegenstand seines Ersuchens entsprechend schwarz und weich auf Schwitzbert gerichtet, dessen Bewegungssucht im ständigen Ausweichen und Wiederaufsuchen des Blicks im Gesicht des Chinesen zum Ausdruck kam. Mauto Bing bat die beiden Herren, man möge für ihn eine stahlblaue Kieferschonunggespinst-Blattwespe finden, für seinen Garten: Die Kieferschonung litt unter einer mysteriösen Krankheit, deren Heilung ihr laut Auskunft eines hiesigen Spezialisten für Gartenkunst nur durch besagtes Insekt angediehen lassen werden konnte.

Schwitzbert machte sich sofort an die Arbeit, drauflos gesucht mit hämmernden Fingern und blitzenden Augen, während Quappengesicht das machte,. was er immer machte, wenn er nichts zu tun hatte: Er spielte Internt-Strippoker mit Manga-Mädchen.

Was bezwecken wir mit dieser Geschichte? wird sich der eine oder andere fragen. Nun, nichts. Wir wollen nur für einen kurzen Moment die Glühbirne der Fadesse einschalten und all jenen einen Schatten geben, die sonst nicht einmal einen werfen könnten.

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